Jan, 27 Jahre, interdisziplinäre Intensivstation


Wie erlebst Du den Umgang  mit Patient*innen in der momentanen Lage?

Vor unserem Krankenhaus steht jetzt ein Sicherheitsdienst und kontrolliert Personen, die das Krankenhaus betreten wollen. Für Patient*innen und Angehörige ist dies sicher abschreckend. Der Umgang im Krankenhaus hat sich kaum verändert. Am prägnantesten ist wohl, dass nun das gesamte Personal auch in coronafreien Bereichen kontinuierlich Mundschutz trägt. Ein Krankenhausaufenthalt, gerade auf der Intensivstation, kann psychisch sehr belasten. Patient*innen mit schwerem und langwierigem Krankheitsverlauf sind jetzt psychisch besonders gefährdet, da die nonverbale Kommunikation, über die ja auch viele Emotionen vermittelt werden, durch den Mundschutz stark eingeschränkt ist.


Wie sieht Dein (Arbeits-)Alltag momentan aus und was hat sich verändert?

Ich habe vor Beginn meines Studiums auf einer interdisziplinären Intensivstation als Gesundheits- und Krankenpfleger gearbeitet und bin dorthin zurückgekehrt, um während der aktuellen Krise zu helfen. Im Vergleich zu der Zeit vor meinem Studium fallen mir besonders zwei Dinge auf: Zum Einen die erhöhte Zahl von Pflege- und Hilfskräften und zum Anderen die geringere Auslastung der Station. Beides finde ich positiv und ist meiner Wahrnehmung nach zu wesentlichen Teilen der aktuellen Krise geschuldet, da vermehrt Personal angestellt und die OP-Zahl des Krankenhauses reduziert wurde. Allerdings hat sich auch der Umgang mit Schutzausrüstung verändert: Wurde diese zuvor nach einmaligem Nutzen entsorgt, soll das Personal nun beispielsweise FFP2-Masken mehrmals nutzen.


Was wünschst Du Dir aktuell?

Ich wünsche mir weiterhin die Unterstützung der Gesellschaft. Besonders Besonnenheit und Vorsicht bei der geplanten Lockerung der politischen Maßnahmen. Weiterhin wünsche ich mir, dass nach der aktuellen Krise die Anerkennung für Pflegende weiterhin ausgedrückt und gezeigt wird, auch finanziell. Am wichtigsten ist mir aber, dass Diejenigen, die besonders von der Krise getroffen werden, nicht vergessen werden: Arme und mittellose Menschen. In Flüchtlingslagern und -heimen, in Slums z.B. in Lateinamerika oder in Deutschland auf der Straße lebende Menschen, die aufgrund ihrer Lebenssituation selbst Basisprävention nicht betreiben können, da es kein fließendes Wasser gibt oder die Menschen zu dicht wohnen und leben. Diesen Menschen muss besonders geholfen werden.


Könnte etwas besser laufen?

Der Umgang mit Patient*innen, die auf Corona getestet werden und auf das Ergebnis warten, gestaltet sich schwieriger als gedacht. Auf unserer Intensivstation gibt es meist Patient*innen, die wegen ganz anderer Diagnosen auf die Station verlegt wurden, zum Beispiel nach einer OP. Im weiteren Verlauf entwickeln diese häufig respiratorische Einschränkungen. Teilweise kann auch eine Coronainfektion nicht vollständig ausgeschlossen werden, sodass sie getestet und isoliert werden. Das führt beim Personal öfters zu Irritation, da die Patient*innen zuvor ohne besondere Schutzmaßnahmen betreut und behandelt wurden. Und natürlich stellt dies auch ein Risiko für das Personal dar. Manchmal ist zudem unklar, ab wann eine Coronainfektion sicher ausgeschlossen werden kann und welche Nachweise es dafür braucht.

Zudem wäre, meiner Meinung nach, eine Testung des Personals in Krankenhäusern sehr sinnvoll. Selbst nach direktem, ungeschütztem Kontakt mit Erkrankten wird Krankenhauspersonal nicht getestet. Stattdessen soll Mensch ein Symptom-Tagebuch führen und in häusliche Quarantäne, Arbeiten muss Mensch aber noch. Erst bei Auftreten von Symptomen erfolgt ein Abstrich (vgl. Verfahrensanweisung RKI: https://www.rki.de/DE/
Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/HCW.html). Dies ist natürlich ein Risiko, sowohl für das Personal, als auch für (kritisch) kranke Patient*innen. Dass nun medizinferne Wirtschaftszweige Hygienekonzepte entwickeln, die ständige Testung beinhalten und dies mit freien Testkapazitäten rechtfertigen (z.B. DFL), wirkt daneben geradezu paradox.


Hast Du Forderungen oder Ideen für ein Gesundheitssystem nach Corona? Was sollte sich langfristig ändern?

Ich wünsche mir eine „Enwirtschaftlichung“ der Medizin und des Gesundheitssystems. Wirtschaftliche Interessen sollten bei der Behandlung und Pflege kranker Menschen keinen Einfluss haben und Einrichtungen keinem Kostendruck unterliegen, da dieser stets zu Lasten der Patient*innen und Angestellten weitergegeben wird.

Da unser Gesundheitssystem davon aktuell weit entfernt erscheint, empfinde ich es als positiv, dass in der aktuellen Krise auch freie Kapazitäten (Betten) gefördert und bezahlt werden. Denn auch freie Betten (und Pflegende!) haben einen Wert. Vielleicht kann dieser Wert auch nach der Krise weiter anerkannt und vergütet werden. Ich hoffe, dass so auch nötiges Personal finanziert und ein angemessener Pflege-Patient*innen-Schlüssel gewährleistet werden kann.